Ein Hund zieht ein - Pure Freude oder Riesenprojekt?

In meinem Alltag begegnen mir die unterschiedlichsten Hundehalter. Da gibt es diejenigen, die
ihrem Hund Freiheit, Spaß und eigene Entscheidungen gönnen möchten und auch Menschen,
die klare Strukturen und Regeln einhalten, damit der Hund gut funktioniert. Ebenso begegnen
mir Menschen, die ihren Hund zur Jagd, im Hundesport oder im Rettungsdienst einsetzen
möchten. Und immer wieder dieselbe Frage: Wie erziehe ich einen Hund richtig?

 

Fester Trainingsplan von Anfang an, oder peace, love and low stress für den frisch
eingezogenen Hund?


Tja, wenn es da eine einfache Antwort darauf gäbe, wäre ich arbeitslos! 😉


Ich persönlich sehe das so: Wenn bei mir ein Hund neu einzieht darf er erstmal eine Woche
ankommen. In dieser einen Woche erwarte ich erstmal noch nicht so viel, denn der Hund
braucht Zeit, um sich zu akklimatisieren und anzukommen. Jedoch nicht ganz ohne Regeln. Ich
erkläre dem neuen Hund freundlich, aber bestimmt, dass es bei uns gewisse Tabus gibt; in
meinem Fall dürfen Hunde bei mir nicht auf das Sofa (wer meine Hunde und ihre Abmaße
kennt, wird mich verstehen, denn wenn ein Irischer Wolfshund mal auf dem Sofa liegt, bleibt
kein Platz für andere). Auch habe ich etwas dagegen, wenn Hunde beim Kochen in den Topf
schauen möchten und kontrollieren, ob das Essen auch korrekt zubereitet wird. Also heißt es
auch hier schon ab Tag eins "raus aus der Küche".


Das finde ich nur fair, denn erst Dinge zuzulassen und sie dann wieder zu verbieten ist nicht in
Ordnung. In den ersten Tagen gehen wir auch noch keine großen Runden spazieren oder
empfangen viel Besuch, denn das würde den neuen Hund erstmal überfordern.


Egal ob Welpe oder Senior, erwachsener Hund vom Züchter oder aus dem Tierheim: Diese Zeit
bekommt bei mir jeder Hund. Falls in dieser ersten Woche krassere Dinge, wie z. B.
Futteraggression oder Bissigkeit auftreten sollten, muss ich natürlich gleich an diesen Themen
arbeiten, bzw. mir kompetente Hilfe suchen, bevor sich das zu sehr festigt und ich lernen kann
damit umzugehen. Wenn dann der Hund einigermaßen weiß wo er jetzt ist und mit wem er es
zu tun hat, starte ich auch schon die ersten Erziehungsmaßnahmen. Da steht für mich an
erster Stelle das Gehen an lockerer Leine, das Deckentraining oder der Rückruf (natürlich mit
Schleppleine abgesichert, wenn es erforderlich ist). Kommandos, wie "Sitz", "Platz" oder "gib
Pfote" haben da erstmal keine Priorität. Für mich sind da andere Dinge wichtig:

  • Ansprechbarkeit
  • Orientierung am Menschen
  • Ruheübungen
  • Außenreize aushalten
  • Untersuchungssituationen
  • Der Besuch einer Gaststätte, und ähnliches

So zeige ich meinem neuen Hund was er für ein Leben mit mir können soll und Stück für Stück
wird mit jedem Puzzleteil das Bild einer entspannten Mensch-Hund-Beziehung klarer.


Dabei darf jedoch das Soziale nicht zu kurz kommen. Spielen, Kuscheln, einander Mögen sind
mindestens genauso wichtig. Der Hund lernt so, dass ich kompetent und wohlwollend mit ihm
umgehe und so wird er sich mir auch lieber anschließen, als wenn ich zwar klar und streng ihn
im Gehorsam habe, aber das Liebevolle vernachlässigt wird. Oder wenn ich nur nett und lieb
bin, aber ohne klare Regeln und Grenzen mit meinem Hund lebe.


Jeder Hund hat seine eigenen Bedürfnisse, Hobbys, Talente und Sorgen. Hier kann man nicht
nach Schema "F" und einheitlichen Trainingsplänen arbeiten, denn schließlich sind es keine
Roboter oder Computer, die auf Programmiersprache alle gleich reagieren. Es sind Lebewesen
mit eigenen Charakteren und Lebenserfahrungen, die verstanden und geliebt werden möchten,
die Grenzen und Regeln brauchen, um sich orientieren zu können und sich sicher zu fühlen.
Jeder Hund ist ein Bildungsauftrag, dem ich in kleinen Puzzleteilen beibringen darf, wie ein
entspanntes Leben mit mir aussieht. Da jeder Mensch andere Wünsche an sein Leben mit Hund
hat, darf jeder Hundehalter sein eigenes Puzzle erstellen. Es gibt Hunde,

  • die mit zur Arbeit kommen sollen
  • die in einen Haushalt mir kleinen Kinder kommen
  • die zu sehr sportlich aktiven Menschen passen sollen
  • die als Seelentröster in schwierigen Lebensphasen angeschafft werden
  • die schon mit einem hundesportlichen Karrierewunsch ausgesucht werden
  • die bei der Polizei oder im Rettungsdienst als Arbeitskollege ausgebildet werden sollen
  • die als Statussymbol und Accessoire gesehen werden
  • die als Hofhund und Bewacher eingesetzt werden sollen
  • die den Jäger bei seiner Arbeit im Revier unterstützen sollen
  • die als Assistenz- oder Therapiehund wertvolle Dienste leisten sollen
  • ...

Jeder dieser Hunde hat eine andere Anforderungsliste für sein zukünftiges Leben, deshalb mach
Dir schon frühzeitig Gedanken, was Dir in Deinem Leben mit Deinem Hund wichtig ist.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0